Handgeflecht
Die Grundlage bildet ein Sitzrahmen mit Bohrungen. Einzelne Rohrstränge werden durch diese sooft gezogen und ineinander verflochten, bis sich eine stabile Sitzfläche entwickelt.
Das Rohr wird nicht in die Bohrungen eingeleimt, sondern unterhalb der Sitzfläche verschlauft und verknotet.
Da Stuhlflechtrohr aus tropischen Gebieten stammt, kann nur grob lokalisiert werden, woher die Tradition des Rohrstuhls kommt. Auch zeitlich ist keine genaue Angabe möglich.
Angeblich wurde das geflochtene Sitzmöbel in Form von Hockern im 16. Jahrhundert von buddhistischen Mönchen von Indien nach China importiert.
Nach Europa können Rohrstühle nur über den Handel eingeführt worden sein. Über die ersten Handelsrouten der Portugiesen wurden nicht nur Gewürze und Seide, sondern auch andere tropische Waren und zudem auch Bräuche und Handwerkstechniken eingeführt.
1600 wurde von den Engländern die sog. „East India Company“ und 1602 die „Vereenigde Oostindische Compagnie“ der Niederländer gegründet. So verloren die Portugiesen die Vormachtstellung ihrer Seemacht. Engländer und Niederländer teilten sich die entsprechenden Handelsprivilegien. Im Rahmen der Importe der East India Company wurde im Nationalarchiv von Kew „Rattans“ in den überlieferten Zollaufzeichnungen gelistet.
Der rege Handel zwischen Südostasien und Europa beeinflusste das Leben auf beiden Kontinenten. Stühle gab es bis dato lediglich in China. In anderen asiatischen Ländern saß man traditionell auf Sitzmatten oder den besagten kleinen Hockern nach indischem Vorbild, den sog. Morhas.
Morhas bestehen aus 2 massiven Rattanringen, die mit Bambusstäben verbunden werden. Flechtrohr dient hier der Befestigung. Die Steckverbindungen zwischen Bambusrohren und Rattanringen wurde mit Stuhlflechtrohr umwickelt. Schon damals wurden kleine Bohrungen im Material genutzt, um das Geflecht der Sitzfläche einzuziehen. Die Sitzfläche wurde entsprechend geflochten.
Die Technik des Achteckgeflechts oder Wiener Geflechts (manchmal auch als Wabengeflecht bezeichnet), die traditioneller Weise durch Bohrungen in einen Holzrahmen gezogen wird, stammt ursprünglich aus Asien.
Die ältesten heute erhaltenen Geflechte aus Stuhlflechtrohr in Europa sind auf das 17. Jahrhundert zu datieren:
Im „Rijksmuseum voor Volkenkunde Leiden“ (Völkerkundemuseum Leiden) wird der ursprünglich aus Indonesien stammende „Stuhl des Radjas von Solor“ (um 1650) aufbewahrt. Diese Art von Sitzmöbeln (Ebenholzstühle mit Rohrgeflecht) brachten die Portugiesen im 17. Jahrhundert von Indonesien nach Europa.
Die Einfuhr des Materials Rattan nach England bedeutete die Geburtsstunde des Handwerks „Chair Caning“. In der Zeit zwischen 1665 und 1720 gewannen Rohrstühle in England derart an Popularität, dass sie zur regelrechten Modeerscheinung wurden. Es ist überliefert, dass in diesem Zeitraum der Markt für Polsterstühle zusammenbrach. Polsterer reichten zweimal erfolglos eine Petition beim Parlament ein, mit dem Wunsch, die Aktivitäten der Stuhlflechter einzuschränken.
In Deutschland sind die ersten Sitzmöbel mit derartigen Geflechten um 1700 zu datieren. Sie wurden als „englische Stühle aus spanischem Rohr“ bezeichnet. Typisch ist das Flechtwerk in der hohen Lehne wie auch der Sitzfläche.
Diese Art der Sitzmöbel, reich verziert, sind in Berlin im Schloss Charlottenburg oder im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.
Laut Ottilinger hatten in Berlin sechs Korbmacher um 1715 – also etwa 15 Jahre nach Bekanntwerden dieser Technik in Deutschland – das Zunftprivileg des „spanischen Rohrstuhlbeziehers“.
Quellen:
Holm, E.: Stühle: Von der Antike bis zur Moderne. Eine Stilgeschichte des Sitzmöbels, München, 1978
The Basketmakers` Association: For Basketmakers and Chairseaters, Newsletter, No. 156, Canterbury, 2016
Ottilinger, E.B.: Korbmöbel, Salzburg, 1990
Pott, P.H.: Het stoeltje van de radja van solor, in: Netherlands Yearbook for History of Art, Vol. 31